Samstag, 10. Mai 2014

Gurlitt: So war's!


Verzeihen Sie, dass wir uns bis jetzt noch nicht zum Fall Gurlitt geäussert haben. Aber dieser beschäftigt uns im Berufsalltag so sehr, dass wir nach Feierabend bisher keine Muse hatten, auch noch darüber zu bloggen. Das ändert sich hiermit.

„Das ZEIT Magazin“, welches fiktive Dialoge zu einem aktuellen Thema verfasst, brachte uns auf die Idee, einen solchen Gesprächsausschnitt zur unverhofften Erbschaft der Gurlitt-Sammlung verfassen. Er zeigt, wie sich die Kultussen jenen Moment vorstellen, in dem Museumsdirektor Matthias Frehner vom Testament erfuhr. In einer weiteren Rolle: Ruth Gilgen, die Mediensprecherin des Kunstmuseums Bern.
 
(Telefon klingelt)
MF: Frehner hier.
RG: Hallo Matthias.
MF: Hoi Ruth.
RG: Wir haben gerade einen Anruf aus Deutschland erhalten. Von Cornelius Gurlitts Anwälten. Offenbar hat er in seinem Testament das Kunstmuseum Bern als Universalerbe eingesetzt.
MF: Was hast du gesagt? Die Verbindung ist schlecht. Ich habe doch tatsächlich verstanden, wir seien in Gurlitts Testament. (Herzhaftes Lachen)
RG: Du hast richtig verstanden.
MF: Wie bitte?
RG: Ich weiss noch nicht mehr. Der Anwalt hat nichts gesagt, ausser, dass wir alles kriegen. Die Bilder, die Immobilien...
MF: Immobilien? Dafür haben wir doch keinen Platz im Museum.
RG: Ich weiss.
MF: Für weitere 1300 Kunstwerke auch nicht... Weiss noch jemand von dieser Erbschaft?
RG: Bisher nicht. (Tastaturgeklimper ist zu hören) Oh, ich sehe gerade, dass „Der Spiegel“ online über die Sache berichtet.
MF: Das ist nicht gut. Seid ihr gerüstet für all die Medienanfragen, die gleich eintrudeln werden?
RG: Was hast du gesagt? Ich höre dich kaum noch. In der Leitung piepst es gewaltig. 138 Anrufer sind in der Warteschlaufe.
MF: Hm, vielleicht müssten wir die Kommunikationsabteilung aufstocken.
RG: Das können wir uns doch nicht leisten!
MF: Vielleicht ja doch. Immerhin haben wir grade im grossen Stil Kunst und Immobilien geerbt. Was mich an was erinnert: Wir sollten einen Immobilienhändler anstellen.
RG: In Ordnung, ich setze ein entsprechendes Inserat auf. Oh, geht nicht, ich kann den Stift nicht mehr vor Augen sehen.
MF: Was ist denn bei euch los?
RG: Irgendwas steht vor dem Fenster und verdunkelt das Büro... Ah, es sind wartende Journalisten. Ich schätze so 50 oder 60. Die wollen alle ein Interview mit dir.
MF: Aber ich wollte doch heute gar nicht im Museum vorbeikommen.
RG: Wir könnten ein Frehner-Double anstellen. So kannst du nach Deutschland fahren, um die Erb-Sache zu klären, während dein Doppelgänger hier Auskunft gibt.
MF: Tolle Idee! Und du musst mir ein Streckenabo Bern-München besorgen. Schliesslich werde ich diesen Weg in den kommenden Monaten regelmässig zurücklegen müssen.
RG: Oh Gott.
MF: Was denn?
RG: Die Medienleute sind ins Gebäude eingedrungen. Sie bauen ihre Kameras auf und die Moderatoren werden bereits gepudert.
MF: Biete die Broncos auf! Die Kunstwerke müssen vor den rabiaten Journalisten geschützt werden!
(Pause)
MF: Ruth?
RG: Zu spät. Der Tessiner Journalist SMF ist soeben in einen Teil unserer Sammlungsausstellung gestolpert. Die Werke sind nicht mehr zu retten.
MF: Sieh es von der positiven Seite: Jetzt haben wir wenigstens Platz für einen Teil der Gurlitt-Sammlung.

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