Verzeihen Sie, dass wir uns bis jetzt noch
nicht zum Fall Gurlitt geäussert haben. Aber dieser beschäftigt uns im
Berufsalltag so sehr, dass wir nach Feierabend bisher keine Muse hatten, auch
noch darüber zu bloggen. Das ändert sich hiermit.
„Das ZEIT Magazin“, welches fiktive Dialoge
zu einem aktuellen Thema verfasst, brachte uns auf die Idee, einen solchen
Gesprächsausschnitt zur unverhofften Erbschaft der Gurlitt-Sammlung verfassen. Er zeigt, wie sich die Kultussen jenen Moment
vorstellen, in dem Museumsdirektor Matthias Frehner vom Testament erfuhr. In einer weiteren Rolle: Ruth Gilgen, die
Mediensprecherin des Kunstmuseums Bern.
(Telefon klingelt)
MF: Frehner hier.
RG: Hallo Matthias.
MF: Hoi Ruth.
RG: Wir haben gerade einen Anruf aus
Deutschland erhalten. Von Cornelius Gurlitts Anwälten. Offenbar hat er in
seinem Testament das Kunstmuseum Bern als Universalerbe eingesetzt.
MF: Was hast du gesagt? Die Verbindung ist
schlecht. Ich habe doch tatsächlich verstanden, wir seien in Gurlitts
Testament. (Herzhaftes Lachen)
RG: Du hast richtig verstanden.
MF: Wie bitte?
RG: Ich weiss noch nicht mehr. Der Anwalt
hat nichts gesagt, ausser, dass wir alles kriegen. Die Bilder, die
Immobilien...
MF: Immobilien? Dafür haben wir doch keinen
Platz im Museum.
RG: Ich weiss.
MF: Für weitere 1300 Kunstwerke
auch nicht... Weiss noch jemand von dieser Erbschaft?
RG: Bisher nicht. (Tastaturgeklimper ist zu
hören) Oh, ich sehe gerade, dass „Der Spiegel“ online über die Sache berichtet.
MF: Das ist nicht gut. Seid ihr gerüstet
für all die Medienanfragen, die gleich eintrudeln werden?
RG: Was hast du gesagt? Ich höre dich kaum
noch. In der Leitung piepst es gewaltig. 138 Anrufer sind in der Warteschlaufe.
MF: Hm, vielleicht müssten wir die
Kommunikationsabteilung aufstocken.
RG: Das können wir uns doch nicht leisten!
MF: Vielleicht ja doch. Immerhin haben wir
grade im grossen Stil Kunst und Immobilien geerbt. Was mich an was erinnert:
Wir sollten einen Immobilienhändler anstellen.
RG: In Ordnung, ich setze ein entsprechendes
Inserat auf. Oh, geht nicht, ich kann den Stift nicht mehr vor Augen sehen.
MF: Was ist denn bei euch los?
RG: Irgendwas steht vor dem Fenster und
verdunkelt das Büro... Ah, es sind wartende Journalisten. Ich schätze so 50
oder 60. Die wollen alle ein Interview mit dir.
MF: Aber ich wollte doch heute gar nicht im
Museum vorbeikommen.
RG: Wir könnten ein Frehner-Double
anstellen. So kannst du nach Deutschland fahren, um die Erb-Sache zu klären,
während dein Doppelgänger hier Auskunft gibt.
MF: Tolle Idee! Und du musst mir ein
Streckenabo Bern-München besorgen. Schliesslich werde ich diesen
Weg in den kommenden Monaten regelmässig zurücklegen müssen.
RG: Oh Gott.
MF: Was denn?
RG: Die Medienleute sind ins Gebäude
eingedrungen. Sie bauen ihre Kameras auf und die Moderatoren werden bereits
gepudert.
MF: Biete die Broncos auf! Die Kunstwerke
müssen vor den rabiaten Journalisten geschützt werden!
(Pause)
MF: Ruth?
RG: Zu spät. Der Tessiner Journalist SMF ist
soeben in einen Teil unserer Sammlungsausstellung gestolpert. Die Werke sind
nicht mehr zu retten.
MF: Sieh es von der positiven Seite: Jetzt
haben wir wenigstens Platz für einen Teil der Gurlitt-Sammlung.
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