Montag, 3. Oktober 2011
Museumspersonal im Fokus VI: Der Detailprediger
Es gibt Leute, die schwören auf sie, andere würden sich nie im Leben darauf einlassen: eine Museumsführung. Nach gefühlten 1000 Führungen sind sich die Kultussen einig: Wenn jene Person, die durch die Ausstellungsräume lockt, viel weiss und dieses Wissen konsumgerecht vermitteln kann, lohnt sich ein entsprechender Rundgang. Auf einem solchen kann aber auch vieles schief laufen. Zum Beispiel, wenn die Besucher nur abgedroschene Floskeln zu hören kriegen, die sie genauso gut einem 5-Franken-Künstlerbiografiebüchlein aus dem Ex Libris entnehmen könnten. Oder wenn zu leise oder zu schnell gesprochen wird. In unserem heutigen Beitrag gehen die Kultussen aber auf eine andere Spezies der Kunstvermittler ein: den Detailprediger und die Detailpredigerin. Sie schaffen es, selbst eine Führung, die nur an zehn Bildern vorbeiführt, auf einen deistündigen Besuch auszubauen. Zu jedem. Einzelnen. Bild. haben sie etwas zu sagen: zum Stil, zum Sujet, zur gesundheitlichen Situation des Künstlers, als er das Bild gemalt hat. Zu dessen familiären Situation. Zur Beschaffenheit des Pinsels. Zur Zusammensetzung der Farbe. Und - dann, wenn die Besucher glauben, zum nächsten Bild schreiten zu können - holt der Detailprediger aus und erklärt auch noch, was alle anderen Künstler zur selben Zeit in ihren Ateliers gemalt haben - und mit welchen Pinseln und Farben und Frauen und Modellen und Drogen und Katzen und - ups, jetzt haben wir doch glatt den Faden verloren. Zurück zum Detailprediger: Eine solche Führung könnte trotz allem gut gelingen, dann nämlich, wenn kurze Pausen eingeplant wären. Ein kleiner Snack zwischen Raum eins und zwei, ein Kaffee zwischen Raum zwei und drei, hie und da mal absitzen... Da dies meistens nicht der Fall ist, verlor eine Kultusse schon mal das Bewusstsein im Museumsraum und musste dann mit Orangenjus aufgepeppelt werden (an dieser Stelle ein lieber Dank an das Cafeteriapersonal). Zu viel Wissen führt eben zu Ohnmacht.
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