Freitag, 11. März 2011

Kleider machen Künstler

In dieser Serie sollen Künstler einmal nicht für ihr Werk, sondern für ihren Stil gewürdigt werden. Warum trug Andy Warhol eine silberne Perrücke? Wer ist Dandy und wer ist Punk? Wer hat Klasse und wer pflegt einen bewussten Anti-Look? Gefolgt wird dem ABC.


A wie Marina Abramovic: Wer es aufs Titelbild eines Hochglanzmagazins schafft hat Stil oder sieht gut aus.  Auf die 1946 in Belgrad geborene Performance Künstlerin Marina Abramovic trifft beides zu. Die Tochter von Partisanen ist berühmt geworden mit radikalen Aktionen bei denen sie sich selbst Gefahren aussetzte,  etwa als sie sich dem Publikum auslieferte, dem sie zuvor Folterwerkzeuge zur Verfügung gestellt hatte. Dramtisch ist auch ihr Look. Ihr langes schwarzes Haar trägt sie entweder offen oder zum Zopf geflochten. Mal tritt sie rockig in schwarzer Lederkluft, mal barock in Rot auf. Sie ist eine Künstlerin, die alle Blicke auf sich zieht, ob sie nun während einer Performance stundenlang Rinderknochen mit einer Bürste reinigt oder in Givenchy in die Kamera eines Paparazzos lacht. 

B wie Joseph Beuys (1921-1986): Nach seiner spektakulären Rheinüberquerung im Jahre 1973 war sein Look gesetzt: Jeans, ein weisses Hemd mit einer Anglerweste und ein Filzhut machten diesen Mann zur Ikone. Er hatte nur ein Outfit aber viele Facetten: Professor, Parteigründer, Medienprofi, Schamane, Aktivist, Revoultionär...Ein Mann, ein Stil und tausend Worte.

C wie Christo, 1935 in Bulgarien geboren und Jeanne-Claude, 1935 in Casablanca geboren. Die sehen irgendwie so eingepackt aus. An was das liegen mag?

D wie Sonia Delaunay (1885-1979)
Sie hat nicht nur mit ihrem Ehemann Robert Delaunay den Orphismus entwickelt, eine Form abstrakter Malerei, die von geometrischen Formen geprägt wird, sondern sich auch als Modedsesignerin und Stilikone einen Namen gemacht. Ihre künstlerischen Ideen setzte sie auch in Theaterdekorationen und Kostümen um. Was damals avantgardisitsch war, ist heute klassisch modern. Geometrische Formen tauchen bis heute regelmässig in Kollektionen der Designer auf, manchmal gar als direkte Hommage an Delaunays Formensprache.

E wie Tracey Emin (1963 in England geboren)
In den Neunzigerjahren sorgte die Vertreterin der Young Britsh Artists für manchen Skandal. Heute hat auch der hinterletzte Hinterwäldler begriffen, dass es ihr bei ihren Beichten aus der eigenen kruden Biografie, um mehr als um Provokation und Narzissmus geht. Ihr Werk berührt ihaltlich und besticht formal. Das Enfant Terrible hat mittlerweile sogar eine Professur für Confessional-Art an der European Graduate School in Saas Fee gekriegt. Wie man sich gemeinhin eine Professorin vorstellt, sieht Emin aber nicht gerade aus. Das Kind einer Britin und eines türkisch-zypriotischen Vaters aus einfachen Verhältnissen trägt immer noch Proll-Chic. Blusen, die Einblick auf ihren drallen Busen gewähren, viel Goldschmuck  und Leoprint. Elegant ist anders. Doch Emin punktet stiltechnisch mit Eigenwilligkeit und Authentizität.

F wie Urs Fischer (1973 in der Schweiz geboren, lebt in New York)
Der von oben bis unten tätowierte Künstler trägt meist schluddrige T-Shirts und seinen kleinen Hund im Arm. Diese Post-Punk Attitüde passt zu seinem Kunst-Kosmos bestehend aus Zeichnungen, Skulpturen und Objekten, die oft aussehen als wären sie Requisiten für einen B-Movie. Das Brachiale liegt ihm. Wenn ihn eine Museumswand stört, dann bohrt er eben kurzerhand ein Loch hindurch. Klar, dass so einer eher wie ein Bauarbeiter, als wie ein Geck daher kommt.

G wie Gilbert & George
(1943 in Italien und 1942 in Grossbritannien geboren)
Die Bildsprache des mittlerweile verheirateten Künstlerduos ist grell und poppig.  Das Markenzeichen der beiden: Businessanzüge. Diese trugen sie bereits in den frühen Siebzigerjahren als die beiden bekannt wurden mit Filmen, in denen sie sich betranken. Saufen im Dandylook= very british!

H wie Keith Haring
(1958 in Pensylvania geobren -1990, New York)
Haring war ein Hipster. Diese tragen auch heute noch Nerdbrillen. Er mochte auch ausgefallene T-Shirts und extravanten Eigenkreationen.

I wie Jörg Immendorff (1945 in Lüneburg geboren und 2007 in Düsseldorf gestorben)
Der Künstler, der es bis zum Kunstprofessor brachte  mochte Koks und Prostituierte und so sah er auch aus.

 J wie John Bock
Dem 1965 in Deutschland geborenen Aktionskünstler steht einfach alles, sogar das Make Up à la Joker.

K wie Jeff Koons (1955 in Pennsylvania geboren)
Er war während sechs Jahren an der Wall Stree als Broker tätig und fürchtet sich deshalb nicht vor Kravatten. Während seine Arbeiten sich mal an der Frivolität der Rokoko-Malerei, mal an der Buntheit der Pop Art und mal am Skurilen des Surrealismus inspirieren sieht er selbst meist ziemlich proper aus. Sein Motto: "Ich bin ein Yuppie und das ist gut so." Braucht auch eine gewisse Kühnheit innerhalb der Kunstszene, wo man gerne so tut als ob man nicht hinter dem Geld her wäre.

L wie Tamara de Lempicka (1898 in Warschau oder Moskau geboren, 1980 in Mexiko gestorben)
Schillerndes Leben, schillernder Look. Die Art Déco Malerin versprühte maximalen Glamour. Sie wusste sich als Diva zu inszenieren und stand als Persönlichkeit ihrer Kunst - einer Mischung zwischen Kühle und Sinnlichkeit - in nichts nach. Man sagte ihr eine  Menge Affären nach und sie hatte ein schickes Appartment in der Stadt des guten Geschmacks: In Paris.

M wie Manon (1946 in Bern geboren, lebt in Zürich)
Mitten in den Siebzigerjahren, als Feministinnen gerne Latzhosen trugen und damit aufhörten sich die Beine zu rasieren schuf sie das "Lachsfarbene Boudoir", ein so genanntes Environment das weiblicher nicht hätte sein können: Ein Arrangement aus Muscheln, Federn, betörenden Düften, Seide und Schmuck gewährte Einblick in die Seele der ersten und vielleicht wichtigsten Performance-Künstlerin der Schweiz. Sie wusste noch vor Sylvie Fleury und anderen bewusst mit femininen Klischees spielenden Ikonen der Neunzigerjahre: Feminismus und Feminität sind kein Widerspruch. Von 1977-1980 lebte sie in Paris und zelebrierte mit Foto- und Videoarbeiten New Wave Ästhetik. Zu jener Zeit hatte sie sich die Haare abrasiert. Als sie stark geschminkt, kahl und mit einer Taube an einer Party auftauchte wurde sie fotografiert. Am nächsten Tag war das Bild der exzentrischen Erscheinung in der Zeitung. In der Bildlegende stand es handle sich um einen Transvestiten. Mais non, c'était Manon!


N wie Niki de Saint Phalle (1930 in Neuilly sur Seine geboren, 2002 in San Diego gestorben)
Bevor sie ihren ersten Ehemann und ihre Kinder verliess und ab 1956 mit ihren Schiessbildern gegen das Patriarchat feuerte arbeitete Niki de Saint Phalle als Model. Stil hatte die aus einer französischen, bürgerlichen Familie stammende Malerin und Bildhauerin ein Leben lang.

 O Meret Oppenheim (1913 in Berlin geboren, 1985 in Basel gestorben)
Im Paris der Dreissigerjahre lernte sie Man Ray kennen und liess sich von ihm fotografieren. Sie brauchte lange um den Stempel "Muse der Surrealisten" wieder loszuwerden und den Fokus des Publikums auf ihr eigenes Werk zu richten . Heute gilt sie als eine der wichtigsten Vertreterinnen des magischen Surrealismus. Die Stilikone mit den raspelkurzen Haaren war auch Designerin und bekannt für das Tragen von exzentrischen Kleidern. Sie liebte den Karneval, das Theater und alles Rituelle. Ab 1972 lebte sie abwechslungsweise in Bern und Paris. Zeitgenossen berichten von legendären Auftritten an Festen und im Berner Pyri (Café des Pyrénées) . Mittlerweile hat man sich in der Bundesstadt wohl auch an den lange umstrittenen Brunnen gewöhnt.

P wie Picasso (1881 in Malaga geboren, 1973 in Frankreich gestorben). Ein Mann, ein Shirt. Wetten das der Streifen-Look diesen Sommer wieder Hochkonjunktur hat?



Q wie Queer wie Eva und Adele
Wer regelmässig an die Art Basel geht hat diese beiden bizarren Geschöpfe bestimmt schon gesehen. In oft pinkfarbenen Damenkostümen, mit stark geschminkten Gesichtern und kahl geschoren mischen sich die beiden unter das gemeine Volk. Die Künstler, die der Öffentlichkeit Informationen über die eigene Biografie verweigern lassen sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen. Sie verstehen sich als lebendige Kunstwerke, die weder zwischen Leben und Werk trennen können noch wollen.

 R wie Pipilotti Rist (1962 in Grabs, Rheinthal geboren)
Die Schweizer sind verklemmt und bieder gekleidet? Diesem Image wirkt unsere farbigste Botschafterin entgegen. Pipilotti Rist verzaubert mit ihrem Werk und ihren Looks die New Yorker und somit die ganze Welt. Sie trug schon eine Schweizer Tracht, eine blaue Brille und ziemlich  unmögliche Farbkombinationen. Pipi (schwedisch für verrückt) wie ihr Vorbild Pipi Langstrumpf eben.

S wie Carolee Schneemann
Die feministische US-Performance-Künstlerin (geboren 1939) zeigte sich wie ihre Arbeitskolleginnen gerne leicht bekleidet, bearbeitete ihren nackten Körper aber mit Farbe, Schnur & Co. und machte ihn somit zur Leinwand und sich selbst zur bestimmenden Künstlerin. Bei einem Auftritt in Bern vor ein paar Jahren präsentierte sie sich im Kostüm - aber noch immer äusserst figurbetont und mit grossem Ausschnitt.

T wie Takashi Murakami
Spitzbübisch mit spitzem Bärtchen und Harry-Potter-Brille präsentiert sich der japanische Pop-Art-Künstler Takashi Murakami (geboren 1962). Nicht selten posiert er auch mit kleinem Hündchen - wie Paris Hilton, die man ja auch ungeniert zur Popkultur zählen darf.

U wie Ulay (geboren 1943)
Klar ist der Performance-Partner von Marina Abramović meistens angezogen - seinen berühmtesten Auftritt hatte er jedoch im Adamskostüm: Zusammen mit seiner ebenfalls nackten Partnerin quetschte er sich in einer Galerie unter einen Türbogen. Die Ausstellungsbesucher mussten sich dann an den beiden nackten Leibern vorbeizwängen.

V wie Michael von Graffenried
Der in Paris lebende Berner Fotograf (1957) fällt mit seiner grossen Statur und den dunklen Locken auf. Dazu trägt er eine kugelrunde Brille. Wichtiges Accessoire: eine Fotokamera.

W wie Andy Warhol (1928 in Pittsburgh geboren, 1987 in New York gestorben)
Warhol und seine Silver Factory-Freunde trugen schwarze Lederjacken und Sonnenbrillen. Das Tageslicht sahen die sogenannten Mole People, durchgeknallte Speed-Freaks, die sich um den Künstler scharten kaum weshalb alle bleich waren. Dadurch konnte man sich auch als coole New Yorker von den sonnengebräunten Kaliforniern differenzieren.  Warhol selbst hatte ein besonderes  Markenzeichen: Seine legendäre, silberne Perrücke. Er wollte Haare haben, so silbern wie die Wände seiner Factory. Denn Silber war die Farbe der Zukunft in die man damals voller Hoffnung blickte.  Das Accessoire wurde 2006 bei Christies für 10'800 Dollar verkauft.

Z wie Zilla Leutenegger
Die 1968 geborene in Zürich lebende Mulitmediakünstlerin mags androgyn. Ihr Stil: Eine Mischung aus der Dadaistin Hanna Höch und der italienischen Rockröhre Gianna Nannini.







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